Weiterbildung in der Pandemie – AO Trauma Deutschland inauguriert Hybrid-Kurskonzept
Am 31.12.2019 wurde der Ausbruch einer neuen Lungenerkrankung mit unklarer Ursache und einem Ursprung in Wuhan (China) bekannt. In großen Schritten breitete sich die Erkrankung weltweit aus, sodass die WHO (World Health Organization) sie am 11.03.2020 zu einer weltweiten Pandemie erklärte. Was bisher in Film und Fernsehen thematisch – jedoch fiktiv – vermarktet wurde (z. B. „Outbreak – Lautlose Killer“, 1995), schien nun teilweise Realität zu werden. Seither hat sich sowohl das öffentliche, jedoch auch das private, berufliche und kulturelle Leben weltweit grundlegend verändert. Vor allem die notwendigen Kontaktbeschränkungen und Abstandsregelungen, aber auch die allgemeinen Hygienerichtlinien stellten eine Herausforderung für den Alltag dar. Insbesondere jegliche Form menschlicher Interaktionen (z. B. in Kultur, Aus-, Fort- und Weiterbildung, etc.) mussten teilweise vollständig ausgesetzt oder konnten nur unter äußersten Restriktionen durchgeführt werden.
Ein wesentliches Kernelement der Kurskonzepte der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) ist jedoch eben diese menschliche Interaktion über Landesgrenzen, Sprachen und Disziplinen hinweg, um unsere Patienten auf wissenschaftlicher Basis sowie mit Aus- und Weiterbildung auf höchstem Niveau zu versorgen und die muskuloskeletale Medizin stetig weiterzuentwickeln.
Im Pandemiejahr 2020 musste man sich dieser Herausforderung stellen und gleichzeitig der Verantwortung einer kontinuierlichen Aus- und Weiterbildung – insbesondere des unfallchirurgischen Nachwuchses – nachkommen. Es galt somit etablierte und bewährte Kurskonzepte zu hinterfragen, und neue Wege auszuloten, welche auch unter Einhaltung der individuell gültigen Hygienerichtlinien eine sinnvolle und suffiziente Ausbildung zu ermöglichen.
Gemeinsam mit der AO haben sich die Universitätsklinika Charité – Berlin und Münster dieser Herausforderung gestellt und ein neues Format des AO Trauma I Basiskurses entwickelt. Ergebnis dieser Bemühungen war ein sogenannter Hybrid-Kurs, welcher den Anteil an Präsenz der Teilnehmer auf den praktischen Anteil reduzierte und die Möglichkeit schuf, die theoretischen Inhalten in Form von live-Webinaren interaktiv zu vermitteln. Die Entwicklung des Konzeptes war ein mehrstufiger Prozess, der damit begann zu prüfen, für welche Inhalte eine Präsenz der Teilnehmer zwingend notwendig war und welche Inhalte digital vermittelt werden können. Ferner musste für beide Standorte aufgrund lokal differierender Hygiene-, Abstands- und Versammlungsregegelungen ein individuelles Präsenzkonzept entwickelt werden. Die theoretischen Inhalte konnten in eine Phase der interaktiven Online-Präsentation mittels live Webinaren geplant werden, sodass die Teilnehmer*innen der Kurse beider Standorte diese zeitgleich absolvieren konnten.
Mittels neuester Videotechnik konnten so mit unserem Multimedia-Partner (Lohmann & Birkner) Themen wie geriatrische Verletzungen, das Management offener Frakturen sowie Konzepte der Polytraumaversorgung den Teilnehmern exzellent vermittelt werden. Während der Webinare bestand zudem jederzeit die Möglichkeit mit den Referenten zu interagieren, Fragen zu stellen oder selbst zu kommentieren. Ferner wurde die Möglichkeit geschaffen, die aufgezeichneten Webinar-Inhalte erneut abzurufen, um Inhalte zu wiederholen, zu vertiefen oder für diejenigen Teilnehmer, die nicht live am Webinar teilnehmen konnten.
Für die praktischen Anteile wurden individuelle Hygienekonzepte basierend auf den lokal herrschenden Vorschriften und Empfehlungen erarbeitet und so erfolgreich ein hands-on-Training unter der Supervision von erfahrenen Experten durchgeführt. Die Reduktion der Gesamtteilnehmerzahl sowie der Einhaltung von Abstands- und Hygienerichtlinien erwies sich als ein wesentlicher Vorteil, denn das Training wurde so durch ein deutlich verbessertes Verhältnis von Teilnehmer zu Instruktor noch intensiviert. Sowohl die Räumlichkeiten in Münster als auch Berlin ließen somit sowohl Kleingruppentrainings als auch Diskussionsrunden zu. Um dennoch den Teilnehmern ein integratives Gefühl zu vermitteln wurden die einzelnen für die Übungen genutzten Räumlichkeiten multimedial vernetzt und so alle Teilnehmer in das Geschehen aktiv involviert.
Die wesentlichen Stolpersteine in der Planung und Vorbereitung des Kurses waren zum einen die Unsicherheiten, welche die aktuelle Pandemielage bei wechselnden Inzidenzen mit sich bringt, zum anderen der nicht unerhebliche technische Aufwand, der bei der Realisierung der live Webinare sowie der technischen Begleitung der Präsenzkurse anfiel. Ferner blieb bis zuletzt unklar, inwieweit es eine Akzeptanz unter den Teilnehmern als auch den Instruktoren für solch ein neues Format geben würde.Daher wurde im Vorfeld eine akribische Planung der Abläufe zwischen den Standorten und der AO koordiniert, welche den Ablauf der Kurse bis hin zu zeitlichen Reserven für die Raumlüftung strukturierte. Vor und nach jedem Webinar sowie vor und nach jedem Kurstag kamen die Organisatoren für ein konstruktives Feedback zusammen. Dadurch konnte der Ablauf Zug um Zug weiter geschärft werden.
Nun, nachdem beide Kurse erfolgreich durchgeführt wurden, können wir eine positive Bilanz bezüglich des neuen Formates ziehen. Es zeigte sich, dass der enorme planerische Aufwand aller Beteiligten im Vorfeld zu einem reibungslosen Ablauf der Webinare, aber auch der Präsenztage geführt hat. Wir erhielten von Seiten der Teilnehmer bisher ein durchweg positives Feedback. Viele Teilnehmer aber auch Instruktoren resümierten, dass der reduzierte Präsenzteil viel besser mit den sonstigen Verpflichtungen im beruflichen Alltag vereinbar sei, und die Webinare eine angenehme Atmosphäre böten die Beiträge der renommierten Experten online zu verfolgen, aber auch live in die Interaktion zu diesen Experten zu treten. Nicht zuletzt waren viele Teilnehmer über die Möglichkeit dankbar nach der langen Phase des Lockdowns – und der damit einhergehenden Begrenzung auf das individuelle berufliche Umfeld – für die Möglichkeit des professionellen Austausches und Interaktion über Klinik- und Landesgrenzen hinweg. Nun gilt es das feedback der Teilnehmer und der Instruktoren genau zu analysieren und selbstkritisch weiter an einer Optimierung dieses Hybrid-Kurs-Formats zu arbeiten, um diesen dauerhaft erfolgreich zu etablieren.
Bisher bleibt unklar, wie nachhaltig die aktuell weiter andauernde weltweite Pandemie sich auf unseren Alltag ggf. dauerhaft auswirken wird. Daher kann dieses Format, mit den oben beschriebenen Vorteilen unter Nutzung modernster Multimedia-Technik sich den aktuellen Entwicklungen anpassen und somit als ein erfolgreicher Bestandteil der Ausbildung junger muskuloskeletaler Chirurg*innen integriert werden. Damit können wir auch weiterhin unserer Ausbildungsverantwortung in Zeiten der Pandemie nachkommen.
Die Organisator*innen aus Berlin und Münster möchten sich an dieser Stelle außerordentlich bei unseren Industriepartner*innen und den zahlreichen Referent*inne und Instruktoren*innen bedanken. Ohne das Engagement jedes Einzelnen wäre die Umsetzung dieses neuen Formats nicht möglich gewesen wäre.
Wir stolz darauf, dass die AO Trauma Deutschland als Vorreiter dieses Hybrid - Formates wieder einmal internationale Beachtung gefunden hat.